Land der aufgehenden Sonne?

Wer Hohes ersteigen will – unten muss er beginnen. Wer Fernes erlaufen will – den ersten Schritt muss er tun. (Aus Japan)

Montag, Juni 12, 2006


Wie japanisch sind Murakamis Bücher eigentlich?
Beispiel: Kafka am Strand

Ein 15-jähriger Junge haut von zu Hause ab, landet in einer Bibliothek, wird dort aufgenommen. Sein Vater wird umgebracht, er daraufhin von der Polizei gesucht. Beim Lesen habe ich mich immer wieder gefragt: Könnte diese Geschichte nicht genauso gut in jedem anderen Land, vor allem in einem westlichen Land spielen? Könnte man sie nicht genauso auch nach Amerika oder zu uns nach Deutschland "verpflanzen"?
Die Geschichte enthält so viele "westliche Elemente", dass nichts darauf hin zu deuten scheint, dass diese Geschichte unbedingt in Japan spielen muss und ich mich zunächst gewundert habe, wie "unjapanisch" dieser Roman, abgesehen von den Namen der Figuren, doch ist.



Fangen wir beispielsweise bei der Musik an: Kafka hört immer wieder Duke Ellington, Prince, Led Zeppelin, die Beatles (vgl. S. 50, S. 78) oder Radiohead (vgl. S. 497 Alles Bands, die so gar nicht aus Japan kommen. Bands, die uns allen ein Begriff sind, die uns in nicht fremd erscheinen, die wir - oder zumindest ich - in Japan nicht erwarten würdenOshima hört mit Vorliebe klassische Musik, bekanntermaßen am liebsten beim Autofahren. Er spricht von Komponisten wie Beethoven, Schumann oder Schubert.
Und auch Hoshino lernt im Laufe der Geschichte europäische Musik zu schätzen, in einem Café genießt er zum Beispiel, das "erste Cello-Konzert" von Haydn zu hören, seine Vorliebe gilt schließlich aber dem "Erzherzog-Trio" von Beethoven (vgl. S. 441, 443).


Auch die Autos der Figuren sind nur zum Teil japanische Fabrikate, ein deutsches Autos ist zum Beispiel zu finden, ein BMW (vgl. S.110). Des weiteren trinken die Figuren nicht unbedingt den für Japan typischen Tee, sondern auch mal - wie Sakura - "Nescafé" und manche Personen sehen auch schon mal aus, bzw. nennen sich "wie der von Fried Chicken" (S. 355), nämlich "Colonel Sanders".

Die allseits bekannte Tupperware ( S. 166) darf da natürlich ebenso wenig fehlen wie der gute, alte Whiskey "Johnny Walker". Auch wenn er hier eine vollkommen andere Funktion, als die eines Getränkes besitzt und mehr ein Deckname ist.

Gegen Ende des Buches schaut Kafka Fernseh und sieht dabei nicht - wie man vielleicht eher erwarten würde - eine in unseren Augen für Japan typische Serie wie Takeshis Castle oder ähnliches sondern "die Trapp Familie" (Vgl. S. 571), die dann auch noch "Edelweiß" singt.



Kafka beschreibt diesen Film als einen der wenigen Filme seiner Kindheit (S. 571), der ihn außerdem "fesselt". Außerdem spricht er von dem Film "Sie küssten und sie schlugen sich" von Francois Truffaut, ebenfalls kein Film, von dem man erwarten würde, dass er sich in Japan großer Bekanntschaft erfreut.

Eigentlich paradox, dass uns ein Land, das wir für so fremd und "unerreichbar" halten, uns in Murakamis´"Kafka am Strand" so normal, fast schon vertraut scheint.


Quelle:

Haruki Murakami, Kafka am Strand, Verlag: Btb, 1. Auflage, März 2006.



Bilderquelle:

Bild 1 (Buch-Cover):
http://www.amazon.de/gp/product/images/3442733235/ref=dp_image_text_0/028-5844442-4852569?ie=UTF8

Bild 2 (Radiohead):
http://www.musicnotes.com/images/features/artists/radiohead/radiohead_big.jpg

Bild 3 (Trapp-Familie):
http://www.schnitt.de/_images/tvtip/trapp-familie_in_amerika__die.jpg

2 Comments:

Anonymous Anonym said...

Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

11:38 PM  
Anonymous Anonym said...

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10:17 PM  

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