Land der aufgehenden Sonne?

Wer Hohes ersteigen will – unten muss er beginnen. Wer Fernes erlaufen will – den ersten Schritt muss er tun. (Aus Japan)

Freitag, Juli 28, 2006

Wer Hohes ersteigen will - unten muss er beginnen.


Wer Hohes ersteigen will – unten muss er beginnen.
Wer Fernes erlaufen will – den ersten Schritt muss er tun.


So, der erste Schritt wäre getan. Ich habe mich nun 12 Wochen lang mit Japan beschäftigt, 12 Posts über dieses Land und meine Suche danach geschrieben.
Aber eben nur der erste Schritt, „Hohes“ habe ich damit noch nicht erstiegen. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, erst noch am Fuß des Berges zu stehen, weit entfernt von der Spitze, die noch im Nebel liegt.

12 Wochen Japan: vieles, das ich über dieses Land erfahren habe; vieles, das ich noch nicht gelernt habe. Viel, das ich kennen gelernt habe und trotzdem noch so viel, was ich nicht kenne.
Sicher, es reicht nicht, sich 12 Wochen lang mit einem Land zu beschäftigen, um es zu kennen; 4 Bücher zu lesen, um seine Menschen kennen zulernen, ein paar Blog-Einträge, um Japan-Experten zu werden.
Und dennoch, der erste Schritt ist gemacht, ich habe mich mit Japan auseinander gesetzt, bin durch die Geschichte, die Gesellschaft und Kultur dieses Landes gereist und habe dabei einiges mitgenommen. Begonnen habe ich voller Ahnungslosigkeit und bin selbst fast erschrocken, dass ich von Japan fast nichts anderes kannte als Vorurteile.
Meine nächste Station war der Sport: Zunächst Karate, DIE japanische Sportart in Deutschland, daraufhin Fußball, DIE deutsche Sportart in Japan.
Daraufhin bin ich mitten in der Geschichte Japans gelandet, habe einen Ausflug in die Vergangenheit gamacht, um schließlich im Tokyo der Gegenwart anzukommen.
Auf meiner "Reise" habe ich Monster gesehen und Geister, habe jugendliche Ausreißer getroffen und Ohrenmodels und noch so vieles mehr.

"Fernes" habe ich versucht zu erlaufen. Und Japan war mir wirklich fern, so viel steht fest. Ein kleines Stück Weg dorthin habe ich mir gebahnt, aber eben nur ein kleines Stück, angekommen bin ich noch lange nicht.
Ich bin mir sicher, man kann noch so lange und ausführlich über ein Land reden, wie man will und doch weiß man doch eigentlich nichts über ein Land, bis man nicht wirklich dort war, seine Landschaft gesehen, seine Menschen erlebt und in seine Kultur geblickt hat.
Vor allem bei einem Land wie Japan. Sollten wir über Frankreich, Italien, England, Österreich etc. oder selbst Amerika schreiben, würde uns dies höchstwahrscheinlich leichter fallen, immerhin sind dies Länder, deren Kultur, Geschichte und Religion uns näher und vertrauter sind, als die Japans. Und doch war gerade dies eine Herausforderung: sich einem Land und einer Kultur zu stellen, der gegenüber - zumindest in meinen Fall - man fast nur Vorurteile hat, ohne wirklich viel über dieses Land zu wissen.

Die Bücher Murakamis waren für mich allerdings leider nur bedingt hilfreich. Hilfreich waren sie sicher in so weit, dass ich gemerkt habe, dass der Unterschied zwischen unserer "westlichen" und Japans "östlicher" Kultur vielleicht doch gar nicht so groß ist, wie ich gedacht habe. Das auch wir ohne Schwierigkeiten diese Bücher lesen können, ohne ständig vor einem japanischen Rätsel zu stehen, dass die Geschichten zum größten Teil auch in unseren westlichen Kulturkreis adaptierbar sind. Und dennoch finde ich, dsss ich über die Bücher recht wenig über Japan erfahren habe und sie als alleinige Grundlage für meinen Blog zu benutzen mir persönlich weniger sinnvoll erschien.
Absichtlich habe ich mich meist nicht am Inhalt der Seminare orientiert, weil ich nicht nich einmal wiederholen und aufarbeiten wollte, was ich in den Semiinaren sowieso schon gehört habe, sondern Platz lassen, um mir zusätzliches Wissen anzueignen, Dinge zu erfahren, die mich interessieren.


Meine Gehversuche Japan entgegen haben mich bestimmt weiter gebracht und doch konnten sie das Bild der Photo-Knipsenden Japaner und Sushis nicht vollkommen revidieren, manche Vorurteile bleiben trotzdem.

Doch es gibt nach 12 Wochen immer noch so viel, was unentdeckt, unerforscht geblieben ist. So viele Dinge, die ich über Japan auch noch erfahren wollte, über die ich vielleicht beim Nachforschen für andere Posts "gestolpert" bin. Doch kaum hat man sich daran gewöhnt einen Blog zu schreiben, hat sämtliche technischen Probleme (meist ausgelöst durch mein technisches Unwissen), hat es endlich geschafft die Bilder so wie man sie auch haben will hochzuladen und ist endlich ein wenig in tiefen Gewässer Japans eingetaucht und schon sind 12 Wochen vorbei und es gibt noch so viel, was ungeklärt, was ungeschrieben ist.


Nach diesen 12 Wochen würde ich behaupten, dass Japan mir nicht mehr ganz so fremd ist, wie es zuvor war. Viele Dinge, die man für befremdlich hält, sind nur deshalb befremdlich, weil man sich gar nicht erst darauf einlässt, eine Erklärung zu finden oder man einfach zu wenig über das Land und seine Menschen weiß.
Ich habe gelernt, dass Japan eben doch mehr ist als meine Vorurteile zu Beginn, auch wenn manche Bilder von Japanern, wie das der Foto-Knipsenden Touristen, sich wohl einfach nicht aus dem Weg räumen lassen.
Ich habe gelernt, dass Japan eine faszinierende Geschichte hat, das mit fast allem, sei es Tee, Sport oder ähnliches eine Philosophie verbinden, dass hinter einer Teezeremonie beispielsweise eben mehr steckt als nur das bloße Teetrinken. Japan ist für mich vom unerforschten Land, zu einem - zwar immer noch nicht vollständig erfoscten - aber erforschenswerten Land geworden, von dem auch wir sehr viel lernen können.


さようなら
Sayonara



Bildquelle:

http://www.shiatsu-austria.at/magazin/images/mag35d.jpg

Montag, Juli 10, 2006

Japan-Knigge

Wen die Beschreibung Tokoys nicht abgeschreckt hat und trotzdem oder gerade deswegen einmal nach Japan reisen möchte, dem sei gesagt, dass es gar nicht so einfach ist, sich mit unseren westlichen Benimmregeln das japanische Prädikat für gutes Benehmen einzufahren.

Deshalb, hier ein „Japan-Knigge“:


1. Man putzt sich in der japanischen Öffentlichkeit nicht die Nase mit einem Taschentuch (Taschentücher höchstens dafür benutzen, um sich die Stirn abzuwischen!), sondern, zieht – im Gegensatz zu dem was uns unsere Mütter, als wir klein waren wohl beigebracht haben – die Nase hoch. Dies zeugt davon, dass man alles unter Kontrolle hat.


2. Das wohl größte Problemfeld, wenn es um das richtige Benehmen geht – egal ob in Japan oder Deutschland – ist wohl „bei Tische“. Man beachte: Nudeln muss man laut aus der Suppe schlürfen, da sich durch den Schlürfvorgang ihr ganzes Aroma entfalten, sonst wird, entgegen Vorurteilen, nicht geschlürft! Vor dem Essen sagt man itadakimasu (dt. ich werde bekommen) und nach dem Essen gochisosama deshita (dt. war schmackhaft und sättigend). Beim Einschenken von Bier, Wein- oder Sake schenkt man sich nie selbst, sondern nur den anderen ein und wartet darauf, bis jemand anders einem selbst eingießt. Schenkt eine höhergestellte Person einem etwas ein, so trinkt man es in einem Zug leer! Zum Umgang mit den Stäbchen: nach den Regeln der „Ogasawara-Schule“, die schon im 14. Jahrhundert galten, nimmt man die Stäbchen zum Essen auf, indem man sie in die rechte Hand nimmt und sie auf Höhe des Brustkorbes anhebt. Daraufhin unterstützt man sie von unten mit der linken Hand, schiebt die rechte Hand nach rechts und dreht sie so, dass sie die Stäbchen von unten her umfasst. Zunächst korrigiert man die Position der rechten Hand, sodass man die Stäbchen bequem hält und lässt dann mit der linken Hand los. Beim Essen mit Stäbchen dient ein Stäbchen zur Unterstützung und wird nicht bewegt, man hält es zwischen Mittel- und Ringfinger. Das zweite Stäbchen wird zwischen Mittel- und Zeigefinger gehalten und mit dem Daumen bewegt.

Zur Veranschaulichung:




Außerdem gilt es Folgendes zu beachten:
Die Stäbchen nicht dazu benutzen irgendetwas aufzuspießen, Speisen von einem Teller/Schale in eine/n andere/n zu befördern, irgendetwas auf dem Tisch zu verschieben oder auf jemanden zu zeigen und auch das Gestikulieren mit Stäbchen in der Hand sollte vermieden werden!
Sehr wichtig: Stäbchen nicht senkrecht ins Essen halten! Auf diese Weise wird dem Buddhistischen Glauben zufolge den Toten das Essen gereicht. Man reiche auch seinem Tischnachbarn kein Essen mit dem Stäbchen weiter, was wieder auf den Buddhistischen Glauben zurück geht, in dem auf diese Weise bei einem Begräbnis-Ritual die Knochen aus der Asche des Verstorbenen den Hinterbliebenen gereicht werden.


3. Die Begrüßung:
Zur Begrüßung verbeugt man sich in Japan voreinander, wie tief hängt von der entgegenzubringenden Achtung und dem Geschlecht des Gegenübers ab. Die Verbeugung wird in drei Kategorien eingeteilt: die leichte, die normale und die höflichste Verbeugung. Der Unterschied ist lediglich der Winkel, in dem man sich verbeugt. Hierbei gilt: je größer die Achtung vor dem Gegenüber, desto größer der Winkel. In den meisten Fällen verbeugt man sich in einem 45°-Winkel, mit 15° verbeugt man sich nur vor vertrauten Personen, wie Familienangehörigen oder guten Freunden. 90° sind bei dem Besuch eines Schreins oder Tempels angebracht. Am besten bei der Verbeugung Hände natürlich herabhängen lassen, der Kopf und Rücken sollten eine gerade Linie bilden.


4. Zu Besuch bei Japanern:
Falls man in das Haus einer japanischen Familie eingeladen werden sollte, gibt es wieder diverse Dinge zu beachten: Seine Schuhe zieht man in einem Vorraum aus und bekommt vom Gastgeber Hauslatschen. Beim Schuhwechsel sollte man beachten, dass man dem Gastgeber niemals den Rücken zukehrt! Falls man auf die Toiletten gehen muss, stehen hierfür meistens extra Latschen bereit (meist in leuchtenden Farben, damit man erkennt, ob man das Wechseln vergessen hat.).
Man sitzt meist auf einer Tatami an einem flachen Tisch auf einem Kissen. Als Mann „darf“ man sich in den Schneidersitz setzen, als Frau auf angehockten Beinen! Vorsicht: wenn man die Beine n Richtung einer anderen Person ausstreckt gilt dies als Beleidigung!


5. Geschenke:
Geschenke spielen in Japan eine große Rolle. Viel wichtiger noch als das jeweilige Geschenk ist dessen Verpackung, die je nach Anlass anders aussieht. Meistens wird zwar weißes Papier benutzt, nur die Farbe des Geschenkbandes (weiß, silber, gold oder schwarz) und die Art das Papier zu falten unterscheiden sich. Im Dezember vor Neujahr werden „Oseibo“ überreicht, im Juni vor Obon, die so genannten „Ochugen“. Meistens werden Lebensmittel verschenkt, in einem Wert um die 5.000 Yen.


Wenn man in einem japanischen Haus eingeladen ist, bringt man ein Geschenk mit, das so genannt „Temiyage“, das sind meist japanische Süßigkeiten, Wein oder Sake. Wenn man hingegen verreist, sollte man Freunden, Verwandten oder Kollegen „Omiyage“ mitbrigen. Die höfliche Form, Geschenke zu übergeben und entgegenzunehmen ist mit beiden Händen!


6.Im Bad:
Auch das „Bad-Wesen“ Japans unterscheidet sich von unserem westlichen. Zum einem sei noch einmal gesagt, dass er verpönt ist, mit Straßenschuhen ins Bad zu gehen! Ein japanisches Bad besteht aus einem Becken oder einer größeren Wanne, gefüllt mit sehr heißem Wasser; einer Dusche, die meist nur knapp über dem Fußboden angebracht ist, so dass man sich mit einem Hockerchen davor setzen kann, um sich gründlich abzuseifen Nach einem gründlichen Abspülen, setzt man sich in die heiße Wanne. Das Wasser darin sollte man deshalb nur gut geseift und gespült „benutzen“, da es noch von mehreren gebraucht wird.

Mittlerweile gibt es in Japan nicht nur die typisch japanische Toilette, sonder auch das „westliche Modell“, aber man findet sie doch gelegentlich, deshalb: immer mit dem Gesicht zur Wand darauf setzen!




Wenn man diese "Regeln" beachtet, kann eigentlich fast nichts mehr schief gehen. Viele Dinge wirken für uns sicherlich auch weniger befremdlich, wenn wir auf sie vorbereitet sind. Mir ist aufgefallen, dass diese japanischen Benimmregeln (abgesehen von dem ersten Punkt) nicht "verrückter" oder unverständlicher sind, als die, die wir befolgen, bzw. befolgen sollten. Ob man nun eine Regel hat, wie man mit Messer und Gabel essn soll, welches Besteck man wofür benutzt, oder ob man einen "eleganten" Weg mit Stäbchen zu essen beschrriebt, macht wohl keinen allzu großen Unterschied.
Während meinen "Nachforschungen" für diesen Post habe ich ein Zitat gefunden, dass man sehr gut auch in unseren Kulturkreis adaptieren könnte, egal ob in Bezug auf besonders gutes Benehmen oder unseren täglichen Umgang mit Menschen: "Wahre Achtung beginnt mit der Geste".



Quellen:

http://www.nichidoku.com/japan-tip-verhalten.cfm
http://www.japan-tipp.de/modules.php?name=Content&pa=showpage&pid=17
http://www.abenteuer-reisen.de/wg/jp/wg_jp__rf25__01.htm


Bilderquelle:

Bild 1, 3, 5, 6:
http://www.japan-tipp.de/modules.php?name=Content&pa=showpage&pid=17

Bild 2 (Verbeugung):
http://www.dihkj.or.jp/de/images/verbeugung.gif

Bild 4 (Geschenk):
http://www.shima7.com/tyu-mon/noshi-oseibo-s.JPG

Sonntag, Juli 02, 2006

Bauwahnsinn Teil II

Der Einfallsreichtum und die Verrücktheit, der "Bauwahnsinn" in Tokyo hat mich so fasziniert, dass ich hier noch einen zweiten Teil zu diesem Thema anfügen möchte.
In meinem letzten Post habe ich über einen SZ-Artikel geschrieben, in dem auch die Rede von einer Architektin, Momoya Kaijima,war, die sich vor allem mit der Architektur von Tokyo und den dortigen Bauabsurditäten beschäftigt.

Gemeinsam mit einigen Kolloegen hat sie ein Buch mit dem Titel "Made in Tokyo" veröffentlicht. Es zeigt 70 "schamlose räumliche Kompositionen".
In diesem Buch sind noch mehr bizarre Beispiele für die Baukultur Tokyos zu sehen. Diese Beispiele bringen den Leser zum Staunen, zum einen natürlich, weil sie zunächst so verrückt zu sein scheinen, zum anderen, darüber, wie geschickt die Architekten angesichts des herrschenden Platzmangels aus der Not eine Tugend machen.
Man staunt darüber, wie viele Möglichkeiten, so geringer Raum doch bieten kann und den Einfallsreichtum, den die Japaner hier an den Tag legen.
Im Internet findet man eine Seite zu "Made in Tokyo", auf der man einen Teil der Bauwerke, die in diesem Buch zusammen getragen wurden, ansehen kann. Man findet jeweils einen "Konstruktionsplan", der das Gebäude beschreibt, dazu ein Photo, das zeigt, wie der Plan umgesetzt wurde und zur Übersicht, für den Tokyo-Kenner, einen Stadtplan, auf dem die verschiedenen Gebäude eingezeichnet sind.

Zum Mitstaunen und Kopfschütteln hier einige Beispiele:

1. Die Fahrschule auf dem Dach, "super car school", die ich schon im letzten Post erwähnt und erklärt habe. Hier nun ein Bild von ihr:



Der Konstruktionsplan...


... und die Ausführung.



2. Ein weiteres faszinierendes Beispiel ist "Park on Park", ein Park, der aus mehreren Ebenen besteht und somit mal wieder ein Beispiel darstellt, wie geschickt die Architekten in Tokio die verschiedensten Bauwerke miteinander kombinieren um Platz zu sparen. Zuunterst befindet sich ein Parkhaus, darüber der Park mit Bäumen usw.








3. "Vampire Park": hier sieht man ein Blutspende-Gebäude gepaart mit einem Skater-Park und verschiedenen Nahverkehrsmitteln:








4. Wahrscheinlich würde es mit den Beispielen schon reichen, aber da ich manche Konstruktionen so spannend finde, möchte ich sie hier nicht vorenthalten. Hier, zu guter Letzt, das "Rollercoaster-Building":








Sehr interessant finde ich auch die Aussagen der Architekten zu ihrem Buch. In dem Folgen den Text, fassen sie ihre Gedanken zum Buch und die "Wohn- und Bausituation" in Tokyo zusammen:







Für alle, die immer noch nicht genug haben von der "Baukunst" in Tokyo, hier der Link: http://www.dnp.co.jp/museum/nmp/madeintokyo_e/mit.html#3


Bilderquelle:

http://www.dnp.co.jp/museum/nmp/madeintokyo_e/mit.html#3

Mittwoch, Juni 28, 2006


Der ganz normale Wahnsinn

Während es uns nahezu selbstverständlich erscheint, dass fast jeder hier in Deutschland ein Häuschen mit Garten und genug Fläche für sich und seine Familie besitzt (Bild links) oder zumindest eine Wohnung, in der jedes Familienmitglied seinen eigenen Raum hat ( von "Extremfällen" einmal abgesehen). Die deutsche "Wohnlandschaft" besteht wohl in den meisten Gegenden aus Einfamilienhäusern, mehr oder weniger idyllisch gelegen, mehr oder weniger dicht aneinander gereiht. Als Schandfleck gelten meist schon die nicht allzu attraktiven und nur minder geräumigen Plattenbauten. Doch im Vergleich zu Tokio und dem Wohnwahnsinn, der laut einem Zeitungsartikel der Süddeutschen Zeitung dort herrscht, ist selbst das noch ein äußerst wohnlicher Raum.

Die SZ schildert in ihrem Artikel den enormen Platzmangel in der Hauptstadt Japans und den daraus resultierenden Bauwahnsinn. Diese Platzknappheit macht sich in allen sozialen Schichten bemerkbar: Während bei uns die Obdachlosen meist zumindest eine Parkbank oder einen Platz unter einer Brücke finden, stehen diese in Japan Schlange, um beispielsweise einen Schlafplatz vor den Schaufenstern der Stadt zu ergattern. Es wird von einem Mann berichtet, der täglich um "seine 2,5 mal 1,5 Meter lange, rund einen Meter hohe Sperrholzschachtel" kämpfen muss, um sie vor anderen Obdsachlosen zu verteidigen.
Doch nicht nur die Obdachlosen sind von dem Platzmangel betroffen, er bestimmt das Leben nahezu aller Menschen in Tokio.

Die SZ berichtet weiter von einer Fahrschule: in den Straßen ist zu wenig Platz, als dass die Fahrschüler hier ihre Fahrstunden absolvieren könnten. Statt dessen wurde die Fahrschule auf das Dach eines Supermarktes "plaziert". Hier wurden eigens Ampeln, eine Kreuzung und sogar eine Rampe um das Anfahren am Berg zu üben, installiert. In acht bis neun Metern über dem Boden fahren zeitweise bis zu 35 Fahrschul-Mazdas im Kreis, um den Schülern das Fahren beizubringen. Motorrad-Fahrstunde wurden allerdings abgeschafft, das Risiko vom Dach zu fallen war zu groß.

Ein weiteres Beispiel, das von der SZ genannt wird ist ein Shinto-Schrein, der direkt auf einem Schnellzugtunnel steht. Der Schrein steht dort schon seit ungefähr 800 Jahren, der Tunnel wurde Anfang der 80er-Jahre gebaut. Die Gläubigen, die dort "Shobu No Kami" anbeten scheint dies nicht weiter zu stören, der Priester, der ein paar Meter vom Schrein entfernt wohnt berichtet allerdings davon, dass im Haus und im Schrein "alles vibriert" sobald ein Zug durch den Tunnel fährt und in beiden Gebäuden auf Grund der Erschütterung immer wieder Glühbirnen zerplatzen.

Doch nicht nur Schreine, selbst Friedhöfe bleiben laut SZ nicht von der Platzknappheit verschont. Ein Friedhof wurde untertunnelt, damit Autos dort passieren können und als auf einem anderen Friedhof der Platz für weitere Gräber ausging, entwickelte man eine "Rotationsanlage", in der Urnen gelagert werden. Mit einer Chipkarte können die Friedhofsbesucher die Urne ihres Angehörigen "anfordern", sie rotiert und bewegt sich auf einen Altar, danach "verschwindet die Urne auf Knopfdruck wieder im Reich der Toten". Nach dem Prinzip dieser Rotationsmaschine werden, laut SZ, auch Autos in den Parkgaragen Tokios gestapelt.

Auch ist es in Tokio wohl nicht mehr allzu überraschend, dass Menschen in Wohnungen leben, die die Grundfläche eines Autobusses besitzen: direkt über einem Busbahnhof wurden Appartements gebaut, jedes einzelne hat genau 34 qm - "die Fläche, die ein Tokioter Bus zum Parken braucht" (siehe Bild rechts).
Trotz des beschränkten Raumes, den die Maße eines Busses bieten, fühlen sich die Bewohner nicht unwohl, als störend wird in dem Artikel lediglich der Zeitpunkt bezeichnet, zu dem morgens alle Busse ihren Motor anlassen, was natürlich eine hohe Geräusch- und Geruchsbelästigung darstellt. Diesen nehmen lanjährige Bewohner allerdings schon gar nicht mehr wahr.

Die Reihe der verrückten Beispiele lässt sich scheinbar endlos fortsetzen. Es ist die Rede von Kinderheimen unter einer Autobahn, von Fußballfeldern über den Becken einer Kläranlage und einem Kino in einem Brückenpfeiler.
Tokio ist ein Spielplatz für Architekten, nirgends können sie sich wohl sonst in diesem Maße austoben wie hier, nirgends sonst ist ihr Einfallsreichtum so gefragt und nirgends sonst resultieren so "verrückte" Bauten aus Platzmangel. Für uns, in unserer Einfamilienhaus und Schrebergarten-Kultur nicht vorstellbar.
Bei all diesem Bau- und Wohnwahnsinn fällt mir der Werbeslogan eines uns allen bekannten schwedischen Möbelfabrikanten ein: "Wohnst du noch oder lebst du schon?".



Quelle:

Süddeutsche Zeitung Nr. 140, Seite 3, 21. Juni 2006


Bilderquelle:

Bild 1 (Einfamilienhaus):
http://www.massivhaus-zentrum.de/haustypen/einfamilienhaus/hbi135/haus_hbi135.php

Bild 2 (Bushaus):
http://www.dnp.co.jp/museum/nmp/madeintokyo_e/mit.html#3

Montag, Juni 19, 2006


Samurai

"They say Japan was made by a sword.
They say the old gods dipped a coral blade into the ocean and when they pulled it out, four perfect drops fell back into the sea and these drops became Japan.
I say Japan was made by a handful of brave men warriors willing to give their lives for what seems to have become a forgotten word : honor."


(Von: The Last Samurai)



"Honor", Ehre. Dass dies wichtig für die "warriors", die Samurai, ist, habe auch mittlerweile mitbekommen. Und doch ist mir in der letzten Sitzung aufgefallen, wie wenig ich eigentlich doch über Samurai, ihre "Herkunft" und ihre Bedeutung weiß.

Klar, ich habe den Film "Last Samurai" gesehen, allerdings vor Urzeiten. Ich kann mich also kaum noch erinnern. Außerdem sind solche Filme bekannterweise so gemacht, dass man sie ohne jegliche Kenntnis über eine Kultur verstehen und nachvollziehen kann und letztlich auch nicht besonders lehrreich.
Ich weiß weder, woher die Samurai "stammen" (gut, aus Japan, aber wie wurden sie "ins Leben gerufen"?), was genau ihre Aufgaben waren, usw.

Um mein "Samurai-Wissen" zu erweitern, habe ich also versucht, Informationen zu suchen und in Kurzform die Geschichte der Samurai zu beschreiben und zu begreifen:

Samurai bezeichnet eine Krieger-Kaste, die im 12. Jahrhundert in Japan entstand, bzw. deren Mitglieder.
Zu dieser Zeit führten zwei mächtige japanische Clans, die Taira und die Minamato, heftige Kriege um bewirtschaftetes Land gegeneinander und es entstand das japanische „Shogunat“.
Shogunat bezeichnet ein System militärischer Führer, der „Shogun“. Unter dem Shogun war die nächst niedrigere Hierarchie der „Daimyo“. Dies waren lokale Herrscher, vergleichbar mit europäischen Fürsten. Die Samurai waren die militärischen Diener eines „Daimyo“. Allerdings gab es auch Samurai, die keinem Herren dienten, die „Ronin“.
Wichtig für die Samurai war „Bushido“, ein Verhaltenscodex. Bushido bedeutet so viel wie „Weg des Kriegers“ und beinhaltete die absolute Loyalität gegenüber dem eigenen Herrn, also dem Daimyo.
Ein weiterer Bestandteil des Bushido war „Seppuku“, ein ritueller, ehrenhafter Selbstmord. Harakiri (wörtlich: „Magen-Aufschneiden“) war die praktizierte Form. Seppuku haben wir meiner Meinung nach in der letzten Sitzung ausführlich genug besprochen, so dass ich hier nun nicht genauer darauf eingehen möchte.
Die Idee, dass ein achtbarer Tod besser ist, als ein Leben in Schande lebt jedoch bis heute in Japan fort. Das Land hat die weltweit höchste Selbstmordrate. Japaner töten sich für misslungene Geschäfte oder weil sie ein Examen nicht bestanden haben.
Die Samurai, deren Zugehörigkeit zur Klasse übrigens vererbt wurde, hatten einige Privilegien gegenüber der „normalen“ Bevölkerung. So durften sie beispielsweise zwei Schwerter tragen (ein langes und ein kurzes), während gewöhnliche Bürger gar keine Waffen tragen durften. Zeitweise hatten die Samurai sogar das Recht, einen gewöhnlichen Bürger zu enthaupten, wenn sie von ihm beleidigt wurden.
Doch auch innerhalb der Samurai-Kaste gab es verschiedene Ränge und somit auch unterschiedliche Privilegien. Eine Rangordnung aus dem zwölften Jahrhundert unterschied drei Klassen von Samurai in „Kenin“ („Hausmänner“, sie waren Verwalter oder Vasallen), berittene Samurai (nur Samurai mit hohem Rang durften zu Pferde kämpfen) und Fußsoldaten.
Gegen Ende des 15. Jahrhunderts verlor das Shogunat die Kontrolle über das Land, in einem etwa 100 Jahre währenden Bürgerkrieg, hatten Feudalherren das Land unter ihre Kontrolle gebracht. Japan wurde schließlich vereinigt und woraufhin eine Reihe von Reformen eingeführt wurden, die das Leben der Samurai Klasse veränderten. So sollten Samurai nun zum Beispiel ihren festen Wohnsitz in den Burgen haben, wohingegen sie zuvor in Friedenszeiten ihr eigenes Land bewirtschaftet hatten. Außerdem wurde zur Finanzierung des neuen Systems ein Reisbesteuerungsystem eingeführt, unter dem jeder Samurai eine bestimmte Menge Reis abhängig von seinem Rang erhielt.



In den Jahren der Shogunate der Tokugawa von 1603 bis 1867 lebte Japan in Frieden, die Kriegerklasse der Samurai wurde somit „arbeitslos“, sie übernahmen deshalb andere Aufgaben, wie beispielsweise in der Bürokratie.
Als der letze Shogun 1867 abdankte, wurde der Kaiser nach Jahrhunderten wieder tatsächlicher Herrscher in Japan, das bisherige Feudalsystem und die Privilegien der Samurai wurden kurze Zeit später offiziell angeschafft. Die Daimyo mussten des Land dem Kaiser zurückgeben, sie und die Samurai erhielten Pensionen. Die Abschaffung der Samurai rief einige soziale Probleme hervor, viele konnten ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten.
In Folge dessen sammelten sich die unzufriedenen „ehemaligen“ Samurai unter Saigon Takamori, 1877 kam es schließlich zu einer offenen Auseinandersetzung zwischen den Rebellen und der Regierung. Die Samurai, ausgestattet mit traditionellen Samurai-Waffen kämpften zwar tapfer, hatten jedoch keine Chance gegen die moderne, mit westlicher Technologie ausgestatteten Armee der Regierung.
Heute besitzen Samurai keinen amtlichen Status mehr, die Nachkommen genießen jedoch nach wie vor hohe Achtung in der japanischen Gesellschaft.



Quelle:

http://www.artelino.de/articles/samurai.asp

Bilderquelle:

Bild 1:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/en/thumb/4/43/Samurai.JPG/250px-Samurai.JPG

Bild 2:
http://www.artelino.de/archive/auctions_show.asp?alp=&art=0&cay=0&cp=1&evt=0&let=g1&rel=4&sea=samurai&spe=0

Montag, Juni 12, 2006


Wie japanisch sind Murakamis Bücher eigentlich?
Beispiel: Kafka am Strand

Ein 15-jähriger Junge haut von zu Hause ab, landet in einer Bibliothek, wird dort aufgenommen. Sein Vater wird umgebracht, er daraufhin von der Polizei gesucht. Beim Lesen habe ich mich immer wieder gefragt: Könnte diese Geschichte nicht genauso gut in jedem anderen Land, vor allem in einem westlichen Land spielen? Könnte man sie nicht genauso auch nach Amerika oder zu uns nach Deutschland "verpflanzen"?
Die Geschichte enthält so viele "westliche Elemente", dass nichts darauf hin zu deuten scheint, dass diese Geschichte unbedingt in Japan spielen muss und ich mich zunächst gewundert habe, wie "unjapanisch" dieser Roman, abgesehen von den Namen der Figuren, doch ist.



Fangen wir beispielsweise bei der Musik an: Kafka hört immer wieder Duke Ellington, Prince, Led Zeppelin, die Beatles (vgl. S. 50, S. 78) oder Radiohead (vgl. S. 497 Alles Bands, die so gar nicht aus Japan kommen. Bands, die uns allen ein Begriff sind, die uns in nicht fremd erscheinen, die wir - oder zumindest ich - in Japan nicht erwarten würdenOshima hört mit Vorliebe klassische Musik, bekanntermaßen am liebsten beim Autofahren. Er spricht von Komponisten wie Beethoven, Schumann oder Schubert.
Und auch Hoshino lernt im Laufe der Geschichte europäische Musik zu schätzen, in einem Café genießt er zum Beispiel, das "erste Cello-Konzert" von Haydn zu hören, seine Vorliebe gilt schließlich aber dem "Erzherzog-Trio" von Beethoven (vgl. S. 441, 443).


Auch die Autos der Figuren sind nur zum Teil japanische Fabrikate, ein deutsches Autos ist zum Beispiel zu finden, ein BMW (vgl. S.110). Des weiteren trinken die Figuren nicht unbedingt den für Japan typischen Tee, sondern auch mal - wie Sakura - "Nescafé" und manche Personen sehen auch schon mal aus, bzw. nennen sich "wie der von Fried Chicken" (S. 355), nämlich "Colonel Sanders".

Die allseits bekannte Tupperware ( S. 166) darf da natürlich ebenso wenig fehlen wie der gute, alte Whiskey "Johnny Walker". Auch wenn er hier eine vollkommen andere Funktion, als die eines Getränkes besitzt und mehr ein Deckname ist.

Gegen Ende des Buches schaut Kafka Fernseh und sieht dabei nicht - wie man vielleicht eher erwarten würde - eine in unseren Augen für Japan typische Serie wie Takeshis Castle oder ähnliches sondern "die Trapp Familie" (Vgl. S. 571), die dann auch noch "Edelweiß" singt.



Kafka beschreibt diesen Film als einen der wenigen Filme seiner Kindheit (S. 571), der ihn außerdem "fesselt". Außerdem spricht er von dem Film "Sie küssten und sie schlugen sich" von Francois Truffaut, ebenfalls kein Film, von dem man erwarten würde, dass er sich in Japan großer Bekanntschaft erfreut.

Eigentlich paradox, dass uns ein Land, das wir für so fremd und "unerreichbar" halten, uns in Murakamis´"Kafka am Strand" so normal, fast schon vertraut scheint.


Quelle:

Haruki Murakami, Kafka am Strand, Verlag: Btb, 1. Auflage, März 2006.



Bilderquelle:

Bild 1 (Buch-Cover):
http://www.amazon.de/gp/product/images/3442733235/ref=dp_image_text_0/028-5844442-4852569?ie=UTF8

Bild 2 (Radiohead):
http://www.musicnotes.com/images/features/artists/radiohead/radiohead_big.jpg

Bild 3 (Trapp-Familie):
http://www.schnitt.de/_images/tvtip/trapp-familie_in_amerika__die.jpg

Sonntag, Juni 04, 2006

WM 2006 - auch dabei: Japan

SZ-Magazin vom 02. Juni 2006:
Überschrift: "Ballzauber - Damit unsere Mannschaft gewinnt, drücken wir Deutschen traditionell die Daumen. Doch unsere Gegner unterstützen ihre Teams mit wesentlich raffinierteren Methoden. Neun Beispiele."

Unter anderem, ein Beispiel:
Japan: "Ein Shinto-Schrein für den Gott der Ballspiele Seidaimyojin fehlt während der WM in keinem japanischen Haushalt. Davor muss ein Fußball liegen."
Alles klar, denke ich mir.... Gott der Ballspiele..... Schrein um Weltmeisterschaften zu gewinnen.... Ball vor den Schrein legen...... ja spinnen die denn?

Erstens: welcher Kulturkreis hat denn ernsthaft einen Gott, der für Ballsportarten "zuständig" ist und zweitens: wie verrückt muss man sein, um diesem Gott auch noch einen Schrein mit beigelegten Fußball zu errichten!?
Das kann doch nicht sein, also suche ich weiter. Gibt es wirklich einen Fußballgott???

Und ich finde:
"Auch der ferne Osten sichert sich sakral ab. Seidaimyojin ist der Gott der Ballspiele. Ihm bringen die Japaner zum berühmten Shiramine Shinto-Schrein in Kyoto unzählige Opfergaben. Ein extra gefertigter Schrein ist im Stadtmuseum zu sehen. Vor dem zierlichen Holztempel mit Vasen, Löwen, Schalen und Schriftfahnen thront ein niegelnagelneuer Fußball." (http://www.merkur-online.de/nachrichten/kultur/kunstakt/art282,667378.html?fCMS=1c91383c3623dd80a0f297f183d641fd)

Es scheint ihn tatsächlich zu geben, bzw. viel mehr, die Menschen, die daran glauben, dass ihn gibt, den Fußballgott.
Dies alles gehört wohl eher wieder in die Kategorie "was wir an Japan überhaupt nicht verstehen".
Wie sehr der Gott der Ballspiele der japanischen Mannschaft beisteht, wird sich wohl in den nächsten Wochen zeigen.