Land der aufgehenden Sonne?

Wer Hohes ersteigen will – unten muss er beginnen. Wer Fernes erlaufen will – den ersten Schritt muss er tun. (Aus Japan)

Sonntag, Mai 28, 2006


Und nun das ganze umgekehrt:

Nachdem ich mich nun mit Karate, einer japanischen Sportart in Deutschland beschäftigt habe, ist es nun an der Zeit sich „europäischen“ Sportarten in Japan zu widmen. Was eignet sich da nun besser als das von mir schon einige Male bemühte Beispiel Fußball!? Im Hinblick auf die WM, die sozusagen in wenigen Tagen statt findet und dem bevorstehenden Testspiel zwischen Japan und Deutschland ein aktuelles Thema, wie ich finde.
Wir wissen nun, wie viele Karatevereine es in Deutschland gibt, aber wie sieht es mit der Verbreitung von Fußballvereinen und –fans in Japan aus?

Laut den Angaben des Japanischen Fußballverbandes gibt es in Japan momentan 18 J1-Clubs (J1 entspricht unserer 1. Bundesliga), darunter der 1.FC Tokyo, Kawasaki Frontale und Yokohama F. Marinos. Im Moment auf Platz eins der J1-Tabelle: Kashima Antlers.



Fußball ist in Japan die zweitbeliebteste Mannschaftssportart nach Baseball.
Die Sportart Fußball wurde von englischen und niederländischen Händlern nach Japan gebracht Zunächst war diese Sportart besonders bei Studenten sehr beliebt, da diese zu dem Zeitpunkt sehr an der europäischen Kultur im Allgemeinen interessiert waren.
1917 bestritt man das erste Länderspiel, gegen China; 1921 wurde zum ersten Mal ein landesweiter Vereinspokal ausgetragen. Außerdem wird 1921 der Japanische Fußballverband gegründet, der 1929 auch Mitglied der FIFA wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch ist Japan weitgehend vom Westen isoliert und wird erst 1954 wieder in die FIFA aufgenommen.


Bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokyo schneidet die japanische Mannschaft überraschend gut ab, entwickelt sich vom Studentensport zum „Nationalsport“. Immer mehr „Werksmannschaften“ von großen Firmen, z. B. Mitsubishi werden gegründet und dominieren in der Folgezeit in den meisten Turnieren über die Universitätsmannschaften.

1998 konnte sich die japanische Nationalmannschaft zum ersten Mal für die Weltmeisterschaften qualifizieren.
Fußball gewann immer mehr an Popularität in der Bevölkerung und somit auch Fans: 2003 verfolgten im Laufe der Saison ca. 6,8 Millionen Zuschauer die Spiele der J1-Liga.
Höhepunkt in der japanischen Fußball-Geschichte war die Austragung der letzten Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea.


Auch auf Mangas nahm die Sportart Einfluss wie man oben an einem Bild aus "Captain Tsubasa" erkennen kann. Im deutschen Fernseh läuft "rechtzeitig zur WM" ab dem 06. Juni die Serie "Super Kickers 2006". Wer will kann sich den Trailer dazu hier angucken:
http://www.rtl2.de/pokito/1494_1931.php

Ab nächster Woche kann man die japanische Nationalmannschaft zum dritten Mal bei einer Weltmeisterschaft beobachten ( zur besseren Übersicht:die japanische Mannschaft spielt in weißen Hosen und blauen Trikots), sie wird vom Brasilianer Zico trainiert.


Für alle, die mehr über japanischen Fußball erfahren wollen:
http://www.j-league.or.jp/eng/
http://www.fifa.com/de/organisation/confederations/associationdetails/0,1483,JPN,00.html?countrycode=JPN

oder Dienstag Abend: WM-Testspiel Japan – Deutschland.




Quelle:

http://de.wikipedia.org/wiki/Fu%C3%9Fball_in_Japan
http://www.j-league.or.jp/eng/
http://www.fifa.com/de/organisation/confederations/associationdetails/0,1483,JPN,00.html?countrycode=JPN


Bilderquelle:

Bild 1 (Captain Tsubasa):
http://www.tsubasaa.oi.com.br/images/road397.jpg

Bild 2:
http://www.j-league.or.jp/eng/

Montag, Mai 22, 2006

Karate Teil II

Immer noch gesucht: "myo".


Karate ist aus der Sicht so manchen Europäers sicherlich eine "komische" und befremdende Sportart. Menschen in weißen Anzügen, die wild mit ihren Armen und Beinen durch die Gegend fuchteln, Bretter zerschlagen und sich ständig verbeugen. Für unsere vom Fußball geprägte Gesellschaft absurd. Dennoch scheint in Deutschland ein reges Interesse für diesen Sport zu herrschen. Wie lässt es sich sonst erklären, dass allein der Deutsche Karate Verband mehr als 120 000 Mitglieder und 2 000 Vereine in Deutschland zählt? Liest man die Karate-Regeln im letzten Post, findet man in ihnen sicherlich einen Grund - abgesehen vom sportlichen Aspekt - der diese Sportart auch für uns fußball-vernarrte Nation so interessant macht. Diese Regeln gehen über Sportregeln hinaus, sind eine "Philosophie", die auf das Leben, auch in unserem westlichen Kulturkreis, anwendbar ist.


Nimmt man zum Beipiel den Satz "Suche nach der Perfektion deines Charakters", zeigt sich daran, dass hinter dem Sport mehr steckt, als wildes Herumgefuchtel.

Zwar ist fraglich, ob eine Suche nach der Perfekion des Charakters jemals erfolgreich sein wird, ob einen perfekten Charakter überhaupt geben kann. Ein Charakter frei von jeglichen schlechten Eigenschaften.
Sieht man diesen Satz jedoch als Aufforderung danach zu streben, an seinem Charakter zu arbeiten, immer wieder zu versuchen, seine "schlechten" Charakereigenschaften zu mindern, sein Wissen zu mehren, so steckt darin doch ein Ziel, das von uns allen angestrebt werden sollte und das durchaus auch in unseren Kulturkreis adaptierbar ist.


Ein weiteres Beispiel ist der Satz "Verzichte auf Gewalt": Auch dies ein Anliegen, dass jeder befolgen, das eigentlich selbstverständlich sein sollte. Ein Gesetz, eine Regel, die auch in unserem Grundgesetz verankert ist: "Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit" (Artikel II, Absatz II) . Doch wie verträgt sich ausgerechnet diese Regel mit einer Kampfsportart? Natürlich sollte Karate nicht im Alltag angewendet werden und doch lehrt Karate seine "Schüler", wie man Gewalt anwenden kann, wie man andere verletzen und sogar töten kann. Deshalb wird die Faust eines "geübten Karatesportlers" im Strafgesetzbuch auch als Waffe angesehen.


Es wird also deutlich, dass Karate wirklich mehr ist, als bloßes Schlagen und Treten. Welche Sportart kann schon von sich behaupten, einen so alten und in der Geschichte eines Landes so tief verwurzeltenHintergrund zu besitzen und das Ziel, seinen "Schülern" Weisheit zu vermitteln zu wollen. Sportarten wie Tennis, Fußball oder Ski fahren können dies sicher nicht.
Sicherlich ist eben genau dies Aspekt, der diesen Aspekt für uns so interessant macht, dass dieser Sport hinter diese auf uns fremd wirkende Sport und seine Philosophie eben doch gar nicht so fremd ist.

Sonntag, Mai 14, 2006

Karate - Leere Hand

Vielleicht kann ja tatsächlich Karate, zu deutsch "leere Hand", dieser oben beschriebene erste Schritt sein. Der erste Schritt um meine Reise zu meinem Japan - also einem noch unbekannten Ziel - endlich richtig zu starten. Nun heißt es, nicht mehr nur in meinem Leben "rumkruschteln", um irgendetwas zu finden, das vielleicht irgendwas am Rande mit Japan zu tun hat, sondern nach Japan zu suchen. Neue Dinge zu suchen, von denen ich noch gar nichts wusste. Mich endlich darauf einzulassen in eine fremde Welt einzutauchen.
Vielleicht ist es für diesen ersten Schritt gar nicht schlecht, dort anzusetzen, wo ich das letzte Mal aufgehört habe. In der Schänzle-Halle, Karate-EM. Ich möchte mehr herausfinden über die Philosophie, die hinter diesem Sport steckt. Und was macht der moderne Mensch von heute natürlich, wenn er Informationen über irgendetwas erhalten möchte - er geht ins Internet. So auch ich. Hier einige Ergebnisse:



Hitotsu! Jinkaku kansei ni tsuto nuru koto - Suche nach der Perfektion deines Charakters
Hitotsu! Makoto no michi o mamoru koto - Sei aufrichtig, loyal und zuverlässig
Hitotsu! Do ryoku no seishin o yashinau koto - Sei achtsam in Deinem Streben
Hitotsu! Rei gi o omonzuru koto - Ehre die Prinzipien der Etikette
Hitotsu! Kekki no you o imashi muru koto - Verzichte auf Gewalt

(Courtesy of Hiroyoshi Okazaki)





1. Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt.
2. Im Karate macht man nicht die erste Bewegung.
3. Karate ist ein Helfer der Gerechtigkeit.
4. Erkenne Dich selbst zuerst, dann den Anderen.
5. Intuition ist wichtiger als Technik.
6. Lerne Deinen Geist zu kontrollieren und befreie ihn dann.
7. Unglück geschieht immer durch Unachtsamkeit.
8. Glaube nicht, daß Karate nur im Dojo stattfindet.
9. Karate üben heißt ein Leben lang zu arbeiten; darin gibt es keine Grenzen.
10. Verbinde Dein alltägliches Leben mit Karate, dann wirst Du myo finden.
11. Wahres Karate ist wie heißes Wasser, das abkühlt, wenn Du es nicht beständig wärmst.
12. Denke nicht ans Gewinnen, doch denke darüber nach, wie Du nicht verlierst.
13. Verändere Deine Verteidigung gegenüber dem Feind.
14. Der Kampf entspricht immer der Fähigkeit, mit keyo (unbewacht) und jitsu(bewacht) umzugehen.
15. Stelle Dir Deine Hand und Deinen Fuß als Schwert vor.
16. Wenn Du den Ort verläßt, an dem Du zuhause bist, machst Du Dir zahlreiche Feinde. Ein solches Verhalten lädt Dir Ärger ein.
17. Anfänger müssen alle Haltungen ohne eigenes Urteil meistern, erst danach erreichen sie einen natürlichen Zustand.
18. Die Kata muss ohne Veränderung korrekt ausgeführt werden, im wirklichen Kampf gilt das Gegenteil.
19. Hart und weich, Spannung und Entspannung, langsam und schnell - alles in Verbindung mit der richtigen Atmung.
20. Erinnere Dich und denke immer an kufu - lebe die Vorschriften jeden Tag.


Gichin Funakoshi aus: "Die Tradition der Karate-Meister und Stile der traditionellen Kampfkunst in Okinawa, China und Japan". Werner Lind, Werner Kristkeitz Verlag, 1991


Quelle: http://www.karate-online.de/karate.htm


Für alle, die so viel Ahnung haben wie ich (siehe Jackie Chan) , hier ein paar Worterklärungen:


kufu (jap.): wörtlich: Plan, Projekt, Erfindung. Auch die Bezeichnung für einen Zustand konzentrierter Aufmerksamkeit und reflektierender Konzentration. Die Fähigkeit für die Handlung unwichtige Reize in den Hintergrund treten zu lassen.

dojo: "Ort der Erleuchtung"; der Übungsraum, der Verein in dem Karate geübt wird.


Eine Bedeutung, bzw. Übersetzung für myo konnte ich auch nach langer Suche nicht finden. "Verbinde dein alltägliches Leben mit Karate, dann wirst du myo finden." Was also ist myo ? Es scheint etwas wichtiges zu sein, etwas wonach es sich wohl lohnen muss zu streben. Etwas wie ein Lebensziel, die Erleuchtung oder ein religiöses Heilsziel? Oder vielleicht doch viel profaner? Ich hoffe, ich finde noch eine Erklärung für "myo" und die Bedeutung dann hier nachtragen.....


Bildquelle:

http://www.karate-online.de/karate.htm

Montag, Mai 08, 2006


Karate-EM.....und ich mittendrin

April 2006, Schänzle-Halle in Konstanz. Die Halle ist voller blauer Matten, Flaggen sämtlicher europäischer Länder (ob man sie nun kennt oder nicht) und Menschen in weißen Anzügen mit verschiedenfarbigen Gürteln um die Hüfte. Auf der Tribüne Hunderte von Menschen, die anfeuern, verrückte Schweizer, die nichts anderes mehr rufen zu können scheinen als "Hopp, Schwiz", Fahnen Schwingende Schweden, Menschen, die immer wieder zusammen zucken, wenn einer der Karateka auf den Boden fällt.....

Und mittendrin: ich..... (wie schon erwähnt, nicht unbedingt Japan-Fan).

Die erste Viertel Stunde überlege ich, wie ich eigentlich hierher gekommen bin. Zwei Freundinnen, beide Karate-begeistert; ihr Trainer kämpft in der deutschen Nationalmannschaft. EM praktischerweise hier in Konstanz. Was liegt da also näher, als sich am Wochenende bei mir einzuquartieren und mich - egal ob ahnungslos oder nicht - mit zur EM zu schleppen. Da sitze ich also und verstehe zunächst nichts. Gar nichts. Wann bekommt man Punkte? Wann ist der Kampf beendet? Wieso haben die Kampfrichter zwar Hemd und Krawatte, dafür aber keine Schuhe an? Kata? Kumite? Ich stehe vor unzähligen Rätseln, habe das Gefühl, die einzige "Unwissende" in der ganzen großen Schänzle-Halle zu sein. Um mich herum Menschen, die schon seit Jahren selbst Karate machen oder zumindest jemanden kennen, der bei dieser EM teil nimmt. Kein Wunder, dass ich mir fehl am Platz vorkomme.

Überhaupt wirkt das alles ein wenig grotesk auf mich: Karate-EM. Karate-Europameisterschaft. Ist das allein nicht schon ein Widerspruch in sich? Europameisterschaft in einer Sportart, die mit Europa doch eigentlich gar nichts zu tun hat, die seine Ursprünge in einem ganz anderen Land hat und doch hier so viel Zulauf und Anhänger findet, dass daraus eine Europameisterschaft entstehen kann. Menschen aus den verschiedensten europäischen Ländern, Karate-Mannschaften aus Schweden, Ukraine, Irland, Russland usw. und alle üben diesen japanischen Sport aus. Alle tragen die typischen weißen Anzüge, den Karate-Gi mit ihren Gürtel, "Obi", vorwiegend schwarz. Die japanische Flagge hängt groß an der Wand zwischen all den europäischen Fahnen. Sie hängt dort, als wolle sie daran erinnern, woher dieser Sport - mehr noch- diese Philosophie herkommt, damit dies auch niemand hier vergisst. Japan mitten in Europa, mitten in Deutschland.

Nach unzähligem Nachfragen und genauem Beobachten, habe auch ich endlich die Regeln soweit verstanden, dass ich mitbekomme, wer gewinnt, wer verliert, wer wie viele Punkte bekommt und so weiter. Dass der Arzt bei ungefähr jedem zweiten Kampf auf die Matte rennt, um einem der Karateka Watte in die Nase zu stopfen, weil er einen Schlag auf die Nase bekommen hat, scheint hier niemanden zu stören. Irgendwann macht es sogar Spaß, auf der Tribüne zu sitzen, die "Duelle" zu beobachten, anzufeuern, mitzufiebern.

Ich bin beeindruckt von dem Respekt mit dem sich hier alle begegnen: Die Kämpfer verbeugen sich vor jedem Kampf voreinander, vor den Kampfrichtern. Alle zusammen, Kampfrichter und Sportler, verneigen sich vor jeder neuen Runde vor der Wettkampfleitung. Zwar "schlägt" man sich, kämpft gegeneinander, jedoch mit einer großen Portion Respekt gegenüber dem Gegner.

Meine Freundin zeigt mir ein "hohes Tier" der deutschen Karate-Szene, ein älterer, kleiner Japaner mit langem Vollbart. Er sieht aus, als sei er einem Samurai-Film entsprungen. Er strahlt eine unglaubliche Ruhe und Ausgeglichenheit aus. Er begrüßt jeden, egal ob er ihn kennt oder nicht aufs Freundlichste. Er bringt jedem ein Lächeln entgegen. Dieser Mensch wirkt so sympathisch, dass er die Menschen um ihn herum regelrecht in seinem Bann zu ziehen scheint. Keinerlei Zeichen von Arroganz, Unzufriedenheit, er wirkt einfach mit sich selbst absolut im Reinen, als könne ihn nichts aus der Bahn werfen. Als sei er wirklich glücklich und mit seinem Leben zufrieden. Etwas, was man hier nur allzu selten antrifft. Wie kommt es, dass ein so unscheinbarer kleiner Mann so eine faszinierende Ausstrahlung besitzt? Hat es vielleicht wirklich damit zu tun, dass er wohl schon fast sein ganzes Leben damit verbringt, Karate zu machen? Und wenn ja, was genau macht die Philosophie von Karate aus, dass sie einen Menschen so beeinflussen kann? Was steckt hinter diesem Kampfsport?

Am Ende der EM fühle ich mich, als wäre ich für kurze Zeit in eine andere Welt hineingetaucht. Ich habe nun selbst erlebt, was mir schon oft erzählt wurde und ich nicht glauben konnte. Dass Karate mehr als nur ein Sport ist, eine Lebenseinstellung, eine Lebensphilosophie. Dieses Bild von Japan ist so ganz anders als das, das ich sonst sofort mit Japan assoziere. Vielleicht war diese EM ja ein erster Schritt auf der Suche nach dem "Land der aufgehenden Sonne", immerhin hat sie mir gezeigt, dass Japan vielleicht doch mehr ist als Sushi, Sailor Moon und Fotoapparate und mich doch ein bißchen neugieriger auf dieses Land und die Mentalität seiner Einwohner gemacht....




Bilderquelle:

http://www.deutscher-jka-karate-bund.de/images/karate_EM_06_Plakat.gif